Ein Arbeitgeber kann sich nicht ohne Weiteres gegen die Bildung eines Betriebsrats im rechtlichen Sinne „wehren“, da das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer durch das Grundgesetz (Art. 9 Abs. 3 GG) und das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ausdrücklich geschützt ist. Dennoch gibt es rechtliche Möglichkeiten und Konstellationen, in denen ein Arbeitgeber auf die Installation oder Zusammensetzung eines Betriebsrats Einfluss nehmen oder sich gegen rechtswidrige Schritte wehren kann.
1. Grundsatz: Keine Abwehrmöglichkeit gegen rechtmäßige Betriebsratsgründung
Die Gründung eines Betriebsrats ist ein gesetzlich garantiertes Recht der Arbeitnehmer (§ 1 Abs. 1 BetrVG). Arbeitgeber dürfen diese Gründung weder verhindern noch behindern, sonst drohen zivil- und strafrechtliche Konsequenzen (§ 119 BetrVG).
Leitsatzentscheidung:
- BAG, Beschluss vom 14.01.2004 – 7 ABR 12/03
- Inhalt: Arbeitgeber dürfen die Wahl eines Betriebsrats nicht behindern. Selbst das Aushängen von Wahlankündigungen an betriebseigenen Schwarzen Brettern ist zulässig.
2. Zulässige Einflussmöglichkeiten des Arbeitgebers
a) Anfechtung der Wahl (§ 19 BetrVG)
Ein Arbeitgeber kann nach erfolgter Wahl die Betriebsratswahl anfechten, wenn diese gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen hat und diese Verstöße das Wahlergebnis beeinflusst haben könnten.
Zulässige Anfechtungsgründe:
- Falscher Wählerkreis
- Fehlerhafte Wählerliste
- Fehlerhafte Bildung von Betriebsteilen oder -einheiten
- Verstoß gegen Formvorschriften (z. B. bei Briefwahl, Fristen, Wahlvorstand)
BAG, Beschluss vom 29.07.2009 – 7 ABR 19/08
- Inhalt: Die Wahl wurde wegen gravierender Fehler bei der Wählerliste für unwirksam erklärt. Der Arbeitgeber hatte erfolgreich angefochten.
BAG, Beschluss vom 13.03.2013 – 7 ABR 69/11
- Inhalt: Eine fehlerhafte Einteilung des Betriebs (insb. im Konzern) kann zur Unwirksamkeit der Wahl führen.
b) Gerichtliche Klärung der Betriebsratszuständigkeit (§ 18 Abs. 2 BetrVG)
Bei Streitigkeiten über die Frage, ob ein Betrieb im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn vorliegt, kann der Arbeitgeber ein Verfahren zur Klärung einleiten.
Ziel: Feststellung, dass kein betriebsratsfähiger Betrieb vorliegt (z. B. mangels organisatorischer Einheit oder bei selbständigen Betriebsstätten).
BAG, Beschluss vom 13.03.2013 – 7 ABR 69/11
- Inhalt: Keine betriebsratsfähige Einheit bei mangelnder organisatorischer Zusammenfassung. Arbeitgeber obsiegt, weil kein einheitlicher Betrieb bestand.
c) Verhinderung unzulässiger Initiativen (z. B. Scheingründung)
Arbeitgeber können rechtlich vorgehen, wenn eine Betriebsratsgründung offensichtlich missbräuchlich erfolgt, etwa zur Absicherung vor Kündigungen oder durch Scheinbelegschaften, z. B. in Scheinfirmen.
BAG, Urteil vom 21.11.2001 – 7 ABR 78/00
- Inhalt: Der Versuch, durch Scheinbetriebe künstlich Betriebsräte zu etablieren, kann abgewehrt werden. Keine betriebsverfassungsrechtliche Legitimation.
3. Grenzen des Arbeitgeberverhaltens: Strafbarkeit bei Behinderung (§ 119 BetrVG)
Jede Form aktiver Behinderung oder Einschüchterung von Initiatoren der Wahl kann als Straftat geahndet werden.
Beispiele für strafbare Handlungen:
- Kündigung oder Benachteiligung von Wahlinitiatoren
- Verweigerung der Bereitstellung betrieblicher Infrastruktur
- Androhung von Nachteilen
BAG, Urteil vom 28.07.2009 – 1 ABR 42/08
- Inhalt: Arbeitgeber muss Wahlinitiatoren unterstützen, z. B. durch Aushänge und Freistellung zur Wahlorganisation.
4. Zusammenfassung – rechtliche „Wehrmöglichkeiten“ im Überblick
Maßnahme | Rechtsgrundlage | Ziel | Grenzen |
---|---|---|---|
Anfechtung der Wahl | § 19 BetrVG | Verhinderung fehlerhafter Wahlen | Nur nach Wahl möglich |
Feststellung fehlender Betriebseinheit | § 18 Abs. 2 BetrVG | Keine betriebsratsfähige Einheit | Tatsächliche Betriebsstruktur entscheidend |
Abwehr missbräuchlicher Gründung | § 1 BetrVG, allg. Rechtsgrundsätze | Keine betriebsverfassungsrechtliche Relevanz bei Scheingründung | Nur bei Evidenz des Missbrauchs |
Passive Duldung | Kein Verstoß | Kein aktives Handeln zur Förderung notwendig | Keine Behinderung erlaubt |